05.04.2023

Wie die Transformation gelingt

Credion Portrait

Werte schaffen mit...
Ein Interview mit Bernd Papenstein, Partner bei PwC

„Erfolgsentscheidend für die vor uns liegenden Transformationsaufgaben ist eindeutig die globale Perspektive: Jeder rein nationale Ansatz ist weder effizient noch effektiv“, sagt Bernd Papenstein, der bei PwC Deutschland den öffentlichen Sektor berät in der CREDION-Serie „Werte schaffen mit…“. CREDION-Gründer und -Vorstand Tobias M. Weitzel spricht mit Bernd Papenstein zu den wichtigsten Transformations-Fragen unserer Zeit: einem erfolgversprechenden Weg aus der Klimakrise, zur Energiesicherheit, der veränderten internationalen Arbeitsteilung und Lieferketten, Digitalisierung, sozialen Zukunftsfragen und der Frage, ob der Staat alles richten kann. 

Tobias M. Weitzel: Herr Papenstein, in Tagen wie diesen erscheint der Staat immer mehr als einzig möglicher und omnipotenter Problemlöser. Ist er das?
Papenstein: Der Staat hat die zentrale Aufgabe, die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Das ist bisweilen wichtiger – oder zumindest genauso wichtig – wie Einzellösungen. Das zeigt sich vor allem bei globalen Herausforderungen, die wir allein, mit nationalen Lösungen, nicht bewältigen können.

Weitzel: Sie meinen die Klimakrise und die grüne Transformation?
Papenstein: Ja, die grüne Transformation kann kein Land allein erreichen. Eine Vorreiterrolle steht uns gut an, aber wirklich etwas bewegen lässt sich nur in internationaler Gemeinschaft.  Im ersten Schritt brauchen wir die gemeinsame Stimme eines Vereinigten Europas und dann globale Abkommen mit großen internationalen Partnern. Für mich gehört dazu beispielsweise ein internationaler CO₂-Handel. 

Weitzel: Wenn für jede Emission Verschmutzungsrechte erworben werden müssen, sorgt das erst einmal für einen Wettbewerbsnachteil in den Ländern, die ein solches System einführen.
Papenstein: Stimmt. Aber auch dafür gäbe es Mittel und Wege. Beispielsweise könnte ein internationaler CO₂-Handel mit einem zusätzlichen Klima-Zoll für alle, die nicht mitmachen, verbunden werden. Denn die Transformation wird zunächst einmal für höhere produktspezifische Kosten sorgen. Dann steht zum Beispiel mit Wasserstoff erzeugter grüner Stahl, der zunächst einmal initial mehr kostet, im Wettbewerb mit konventionell erzeugtem Stahl, der die negativen Umwelteffekte in seinem Preis nicht berücksichtigt.  Ein Klima-Zoll könnte die Motivation weiterer Länder fördern, beim CO₂-Handel mitzumachen. 

Weitzel: Effizient wird es aber nur dann, wenn wir technologieoffen bleiben…
Papenstein: Ja, in einem umfassenden internationalen CO₂-Handel wäre durch einen effizienten Preismechanismus dafür gesorgt, dass jeder investierte Euro die größtmögliche Wirkung entfaltet. Ein solches System ist per definitionem technologieoffen und belohnt die erfolgversprechendste Lösung. Die Rahmenbedingung, der CO₂-Handel, wäre eine politische Vorgabe – die Wege, um die Einsparungen zu erreichen, unterscheiden sich. Denn wenn wir über eine globale Energiewende reden, dann sprechen wir über völlig unterschiedliche Ausgangssituationen in der Welt: den 400 Jahre alten Baum im brasilianischen Regenwald, Kohlekraftwerke in Indien, Solarenergie aus dem Sauerland oder CO₂-Storage in Norwegen. Dem Klima ist es egal, wo auf der Welt wir eine Tonne CO₂ einsparen. Wenn es uns aber gelingt, mit dem gleichen Euro die zehnfache Wirkung zu erzielen, dann ist das für unser Welt-Klima doch ein gewaltiger Unterschied.  

Weitzel: Hat sich mit der Gaskrise nach der russischen Invasion in der Ukraine nicht der Schwerpunkt verschoben? Bevor wir über den ökologischen Fußabdruck unserer Energieversorgung nachdenken konnten, waren wir in Deutschland kurzfristig erst einmal gezwungen, wieder für Energiesicherheit zu sorgen…
Papenstein: Kurzfristig ja. Da hat Deutschland mit der Reaktivierung von Kohlekraftwerken, der Laufzeitverlängerung der AKWs, mehr Gasbezug aus Norwegen und den LNG-Terminals in punkto Energiesicherheit viel erreicht …

Weitzel: … klar, weil wir grundlastfähige Kraftwerke brauchen. Eine Versicherung, die erst mal nötig war. Aber langfristig wird das ja nicht der Weg sein, um einerseits der deutschen Industrie kostengünstige und andererseits möglichst klimafreundlich Energie zur Verfügung zu stellen.
Papenstein: Sicher nicht. Kurzfristig war es allerdings völlig richtig, dass der Staat schnell und entschlossen agiert hat.

Weitzel: Nehmen wir exemplarisch die Transportnetze für den Strom.  Muss der Staat unbedingt Transportnetze besitzen, um den Ausbau zu beschleunigen?
Papenstein: Hier hat ja spätestens mit den verkürzten Genehmigungsprozessen für die LNG-Häfen die Diskussion um Prioritäten an Fahrt aufgenommen. Dass die Stromautobahn faktisch Teil der Daseinsvorsorge ist, wissen wir schon. Dass der mit Windenergie erzeugte Strom aus dem Norden nach Süden muss, ist ja nicht ganz neu. Spätestens mit der Beschleunigung der Energiewende wird aber zunehmend klar, in welch kurzer Zeit hier massive Investitionen erforderlich sind. Da hat die Frage nach einem staatlichen Investor mit seinen dann doch sehr großen Ressourcen ihre Berechtigung.

Weitzel: Derzeit sieht es generell eher nach einem De-Globalisierungstrend aus, der die nationale Versorgungssicherheit priorisiert – für so gut wie jeden Bereich…
Papenstein: Darauf kann man kommen, sollte in jedem Einzelfall aber eine sorgfältige Abwägung vornehmen. Denn De-Globalisierung hat natürlich einen Preis. Schon die aktuelle Inflation auf Grundlage gestörter Lieferketten, Energiepreise und von Zweitrundeneffekten ist doch eine gesellschaftliche Herausforderung – und jede Rückverlagerung führt zusätzlich zu Preissteigerungen für die Volkswirtschaft. Da ist eine kluge Balance gefragt und kein Rückverlagerungs-Automatismus. Die Unternehmen müssen sich sehr genau überlegen, wo sie die Vorteile internationaler Arbeitsteilung und ein möglichst hohes Maß an Sicherheit gleichzeitig erreichen können. Wir werden ja schließlich nicht alles, was wir produzieren und konsumieren, zu vertretbaren Preisen zwischen Flensburg und Garmisch-Partenkirchen herstellen können und wollen. Jedenfalls nicht, wenn wir eine exportorientierte, soziale Marktwirtschaft bleiben wollen. Es gilt Schaden abzuwenden – nicht nur für uns, sondern auch für Menschen, die in Schwellenländern leben und arbeiten.  Sie bezahlen nämlich möglicherweise mit dem Verlust ihrer Arbeit, ihrer Entfaltungsfreiheit und ihrer Zukunftschancen. Für mich gilt auch hier, dass es eine internationale Zusammenarbeit braucht, auch wenn das keine leichte Aufgabe ist. Aber wenn wir sie global und zusammen mit internationalen Partnern angehen, werden wir sie lösen.

Weitzel: Ganz herzlichen Dank für dieses Gespräch, lieber Herr Papenstein!