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Strategien gegen die Lieferengpässe: Warum die Globalisierung unverändert vorteilhaft ist und eine Rückverlagerung nach Deutschland mit Kosten und Risiken verbunden ist
Während die aktuellen Lieferengpässe unverändert das Wirtschaftswachstum bremsen, richtet sich der Blick der Unternehmer längst nach vorn. Die Suche nach der richtigen Strategie, um in Zukunft das eigene Wachstumspotenzial voll nutzen zu können und den Wareneinkauf von Handelsgütern abzusichern. Die Top-3-Massnahmen im verarbeitenden Gewerbe sind Diversifikation in der Beschaffung (29,5%), eine bessere Überwachung der Lieferketten (25,9%) sowie eine erhöhte Lagerhaltung (23,4%). Das ergab eine aktuellen ifo-Konjunkturumfrage unter mehr als 5000 Unternehmen zur künftigen Ausrichtung ihrer Beschaffungsstrategie. „Aus der erhöhten Lagerhaltung ergibt sich zusätzlicher Working-Capital- und Finanzierungbedarf, für den wir den Unternehmen passgenau Kapital zur Verfügung stellen“, sagt Helena M. Lobeck, die den CREDION-Wachstumsfonds für den Mittelstand managt.
„Reshoring“ kostet Effizienz
Eine der häufig diskutierten Lösungsansätze, die Rückverlagerung nach Deutschland (#Reshoring), würde aber nach einer aktuellen Modellrechnung des ifo-Instituts die Wirtschaftsleistung um 10 Prozent schrumpfen lassen. Der Grund: „Wenn wir ausgelagerte Teile der Wertschöpfung nach Deutschland zurückholen, führt das dazu, dass weniger wettbewerbsstarke Tätigkeiten plötzlich große Anteile im Mix der deutschen Wertschöpfung gewinnen. Die damit verbundene geringere Produktivität würde die Wirtschaftskraft schwächen“, erklärt Lisandra Flach, Leiterin des ifo Zentrums für Außenwirtschaft und Mitautorin der Studie.
… und bringt kaum mehr Sicherheit
Und: Gäbe es einen globalen Trend hin zu stärker national ausgerichteten Lieferketten, stünden für die deutsche Wirtschaft Vorleistungen auf dem Spiel, die über 600 Milliarden US-Dollar zur deutschen Wertschöpfung beitragen. Auch das Sicherheitsargument einer Rückverlagerung trügt weniger als vielfach angenommen: In einer Simulationsstudie fand eine Gruppe von Forscherinnen und Forschern heraus, dass die Corona-bedingte globale Rezession im Jahr 2020 mit nationalisierten Lieferketten sogar noch stärker ausgefallen wäre (Bonadio et al. 2021). Zwar hätten in diesem Szenario Lockdowns im Ausland einen deutlich geringeren Effekt auf die heimische Wirtschaft gehabt, gleichzeitig wären aber die negativen Folgen von Lockdowns im Inland deutlich gravierender gewesen. Insgesamt hätte eine Nationalisierung von Lieferketten in Deutschland und den meisten anderen Länder zu einem stärkeren Wirtschaftseinbruch in der Pandemie geführt, so die Forscherinnen und Forscher.
Vorsorge-Strategien können Ertragskraft belasten – und bieten Chancen
CREDION-Vorstand Henrik Felbier: „Die ifo-Studie zeigt: Wir müssen uns darauf einstellen, dass die Unternehmen dauerhaft größere Puffer in ihrer Logistik aufbauen. Sie werden zugleich ihren Wareneinkauf stärker diversifizieren und bessere Überwachungsinstrumente einführen. Als eine Art Versicherung werden Unternehmen auch auf flexible Redundanzen setzen. Vor dem Hintergrund hochvolatiler Rohstoffpreise sind das immense Herausforderungen. Und die damit verbunden Kosten der Absicherung dürfte die Ertragskraft der Unternehmen zunächst belasten. Aber: Unternehmen, die diese Aufgabe meistern und die Verfügbarkeit von Gütern zügig und jederzeit gewährleisten können, erarbeiten sich einen Wettbewerbsvorteil. Und den können sie nutzen, um höhere Preise durchzusetzen.“

Wie könnten Banken und alternative Finanzierer derzeit effektiver zusammenarbeiten?
Die Finanzierungslage im deutschen Mittelstand zeigt deutliche Anzeichen von Problemen. Es häufen sich Berichte über gesunde Unternehmen mit soliden Fortführungsaussichten, die dennoch aufgrund von Finanzierungsengpässen in die Insolvenz geraten. Eigentlich sollte ausreichend Kapital von Banken, Private-Equity- und Private-Debt-Fonds sowie anderen alternativen Fremdfinanzierern verfügbar sein.
11.09.2023

Warum wir in Deutschland mehr Mut und Entschlossenheit brauchen
Es kann keiner sagen, dass wir ein Erkenntnisproblem hätten: Deutschland ist als Investitionsstandort nicht mehr attraktiv. Die Flucht aus Deutschland hat begonnen. Die ausländischen Investitionen in Deutschland sind nach OECD-Zahlen fast vollständig eingebrochen. Nur noch rund 10,5 Milliarden Euro wurden 2022 in Deutschland investiert. Der niedrigste Wert seit 2013. Noch schlimmer: Die Mittel-Abflüsse aus Deutschland lagen 2022 bei fast 135,5 Milliarden Euro. Fast 70 Prozent der Gelder aus Deutschland flossen in andere europäische Staaten. Das Institut der Deutschen Wirtschaft sieht in einer klugen Analyse der Investitionsdaten ein echtes Risiko für eine Deindustrialisierung.
06.09.2023