Werte schaffen mit...
Ein Interview mit Martin Herrmann
1. Du hast als Top-Manager in großen Unternehmen wie RWE oder innogy in Transformationsphasen Verantwortung getragen. Heute begleitest Du sowohl etablierte Unternehmen als Aufsichtsrat oder junge Unternehmen als Angel-Investor und Mentor. Wer für seine Stakeholder dauerhaft Werte schaffen möchte, muss sich an dynamisch verändernde Rahmenbedingungen anpassen. Seit Heraklit wissen wir: Alles fließt. Nichts ist beständig. Wie kann ein Unternehmen eine wertegeleitete Veränderungsfähigkeit schaffen? Was sind die notwendigen Voraussetzungen?
„Change is for a purpose“
Die Frage lässt sich in drei Abschnitten beantworten: Als Erstes kommt es darauf an, dass Du Deine Werte kennst und was unter wertegeleitet zu verstehen ist! Ein Unternehmen muss sich zuerst über die eigenen Werte im Klaren werden. Ohne dieses Bewusstsein kannst Du nicht wertegeleitet führen. Eine Diskussion über Unternehmenswerte ist daher immer eine sehr sinnvolle Diskussion. Sie entstehen nicht einfach durch das Schnipsen mit dem Finger. Werte können und sollten durchaus das Ergebnis eines Prozesses sein. Wichtig ist zu bedenken, dass die ausgearbeiteten Werte nicht für immer in Stein gemeißelt sind. Ein Unternehmen entwickelt sich weiter und so sollten sich auch die Werte entsprechend mitentwickeln dürfen und können. Wenn die Werte stehen, müssen diese entsprechend auch gelebt, kommuniziert und für alle Mitarbeiter erkennbar werden. Für kleine Unternehmen ist das deutlich einfacher, in einem Großkonzern kann das allerdings ein längerer Prozess sein. Dabei hilft es, wenn die definierten Werte einfach und verständlich sind.
Eine weitere Voraussetzung für die Veränderungsfähigkeit eines Unternehmens und zugleich der Individuen wäre zudem, die Chancen in einer Veränderung zu sehen, denn Veränderungen werden häufig auch mit einem Risiko bis hin zu einer Bedrohung assoziiert. Zudem ist es wichtig, dass man offen für Veränderungen bleibt. Insbesondere, wenn eine Transformation abgeschlossen ist, sollte nicht stehen geblieben werden.
Zuletzt geht es um die individuelle Voraussetzung, da eine Veränderung immer bei einem selbst beginnt. Diese Einstellung und Bereitschaft zu Veränderungen sollten nicht nur von der Unternehmensführung, sondern zugleich auch von allen Mitarbeitenden verinnerlicht werden. Dabei hilft es, die Chancen transparent darzustellen, Beispiele an die Mitarbeitenden zu kommunizieren und iterativ an der Perspektive in Hinblick auf Veränderungen zu arbeiten.
2. Jeder Mensch nimmt Veränderungen unterschiedlich wahr. Einige freuen sich, über regelmäßige Transformationen – egal, ob privat oder im Berufsleben – andere fühlen sich eher gestresst oder empfinden sogar Angst. Wie schaffst Du es, ein Team gemeinsam abzuholen und Veränderungen einzuleiten?
„change starts with yourself“
Nicht alle kommen mit Veränderungen gut zurecht. Wenn Mitarbeitende die Veränderung nicht annehmen wollen oder grundsätzlich mit jeglicher Veränderung nicht zurechtkommen, wird man mit den Mitarbeitenden keinen vernünftigen Veränderungsprozess durchführen können. Das Ziel sollte natürlich fortwährend sein, alle Mitarbeitenden im Transformationsprozess mitzunehmen und entsprechend eine Chance zu geben. Letztendlich wird es aber immer Menschen geben, die damit nicht zurechtkommen. Umso wichtiger sind diejenigen, die Begeisterung zeigen und somit zu einer Art Multiplikator der Transformation werden. Auch sollte der Aspekt der Co-Creation nicht unterschätzt werden. Insbesondere bei Veränderungen, die von der Geschäftsführung vorgegeben werden. Es stellt sich hier die Frage, wie die Mitarbeitenden in die Veränderung mit einbezogen werden können, denn: „people love what they create“. Durch das Mitgestalten einer Veränderung kann dazu ein ganz anderer Bezug aufgebaut werden, was die Transformation entsprechend unterstützt.
3. Du hast bereits viele Veränderungsprojekte gesteuert. Was sind die häufigsten Herausforderungen, denen Du im Verlauf dieser Prozesse begegnet bist?
Insbesondere in Großkonzernen konnte ich immer wieder feststellen, dass eine Transformation mit viel Dynamik startet. Entsprechend steigen die erste und zweite Führungsebene mit viel Elan und Energie ein, alle Verantwortlichen werden involviert und abgeholt. Die dritte Führungsebene und weitere Abteilungen und Bereiche des Unternehmens muss wie eine Lehmschicht durchdrungen werden – bereichsübergreifend und häufig international. Da kommt es darauf an, mehr als das reine Bewusstsein zu erzeugen, dass eine Veränderung ansteht und notwendig ist, sondern die nächsten Ebenen so zu aktivieren, dass sie bereit ist, die Veränderung aktiv mitzugestalten... Der Prozess, alle im Konzern zu erreichen, kann bisweilen ziemlich lange dauern. Einige Tools helfen, vertieft zu diskutieren und Mitarbeitenden zu ermöglichen, sich einzubringen, Fragen zu stellen und sich zu beteiligen. Um einen fundamentalen Durchbruch zu erzielen, hat mir folgender Leitsatz sehr geholfen: „you need to break down to break through“.
4. Wie hast Du in denen von Dir betreuten Change-Projekten sicherstellen können, dass die Mitarbeiter Veränderungen akzeptieren und unterstützen?
Ein wichtiger Grundsatz hier ist: „You change what you measure“. Es braucht Ziele, die messbar und damit greifbar sind. Dabei können sich Mitarbeitende auch direkt einbringen und mitentscheiden, was erreicht, verbessert, verändert und gemessen werden soll. Am Ende muss natürlich immer nachgemessen und kontrolliert werden, ob sich entsprechende Messwerte durch die Veränderung verbessert haben oder nicht und diese Ergebnisse müssen intensiv diskutiert werden. Durch das Messen und aktive Kommunizieren werden Veränderungen zugleich greifbarerer, was wiederum die Akzeptanz eine Veränderung erhöht.
5. Auch heute ist die Mehrheit der Veränderungsprojekte in deutschen Unternehmen nicht erfolgreich. Hast Du einmal erlebt, dass ein Veränderungsprojekt misslungen ist, und wie bist Du damit umgegangen?
Langfristig könnte man sagen, dass uns nicht gelungen ist, die Innogy zu einem perspektivisch erfolgreichen Unternehmen mit einer großartigen Unternehmenskultur aufzubauen. Das Unternehmen wurde durch eine Transaktion übernommen. Das sehe ich jedoch nicht als Misserfolg, denn die Unternehmenskultur, die wir entwickeln konnten, ist so über und mit den Mitarbeitenden in die e-on eingeflossen. Scheitern ist hier ein fatales Wort, das Chancen übersehen lässt. Auch in Kleinprojekten mag das Endergebnis ein anderes sein als ursprünglich geplant, das bedeutet jedoch nicht, dass es ein schlechtes ist, sondern lediglich, dass es eine Veränderung ist. Persönlich denke ich häufiger darüber nach, was ich anders gemacht hätte, wenn ich den Erfahrungsschatz von heute auch schon früher in meiner Karriere hätte einbringen können. Besonders in Bezug auf die personelle Interaktion und die Partizipation in Veränderungsprojekten.
6. Welche Rolle spielt Deiner Erfahrung nach die Führung eines Unternehmens im Verlauf eines Veränderungsprojektes?
„Change starts from the top!“ Wenn ein Vorstand nicht hinter einem Veränderungsprojekt steht, dann wird es auch nicht erfolgreich sein. Es muss von der Führung vorgelebt und entsprechend in das Unternehmen kaskadiert werden. Wenn der Vorstand eines Unternehmens jedoch nicht partizipativ handelt und kommuniziert, wird auch keine Veränderung umsetzbar sein. In vielen Konzernen passieren Veränderungen immer nur dann, wenn ein Wechsel an der Konzernspitze stattfindet.
7. Welche Methoden, die Du eingesetzt hast, haben sich in Veränderungsprojekten besonders bewährt?
Hier gilt: „Mindset over toolset!“ Erfolgreich waren immer Methoden, mit denen wir in kleinen Gruppen auf einer sehr persönlichen Ebene kommunizieren konnte. Das schafft eine Vertrauenskultur und eine Vernetzung innerhalb eines Unternehmens, die sehr lange anhält und besonders im Rahmen von Veränderungsprojekten sehr förderlich ist. Insgesamt braucht es ein Toolset, mit dem man arbeiten kann und das zu der Transformation und dem Unternehmen passt. Aber wichtiger noch als das Toolset ist das Mindset! Es muss gelingen, eine Umgebung zu schaffen, in der sich alle wohlfühlen, sich konstruktiv einbringen können und unterschiedliche Meinungen willkommen sind. Hier kommen wir wieder auf die erste Frage zurück, denn letztendlich geht es insbesondere um ein wertegetriebenes Mindset.
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